Atlas zur deutschen Alltagssprache

Im Alltag habe ich meistens das Gefühl, dass die Leute um mich herum ziemlich normales Hochdeutsch sprechen, vielleicht hier und da mal mit lokalem Einschlag. Aber dann tauchen ab und zu in Unterhaltungen oder in diesem Internet Wörter auf, die ich nicht kenne. Und dann gibt es die ewigen Debatten, was genau Pfannkuchen sind (natürlich die flachen Dinger, die man in der Pfanne macht), oder welcher Artikel zu Laptop gehört (der, was sonst).

Ich finde diese Vielfalt in der Sprache, die sich trotz einer starken Standardisierung hält, total schön und spannend. Und es gibt auch Forschungsprojekte dazu, zum Beispiel den Atlas zur deutschen Alltagssprache, den man hier findet: https://www.atlas-alltagssprache.de/

Da werden immer wieder Umfragen zu verschiedenen Phänomenen der deutschen Alltagssprache gemacht. Man findet auf der Website die aktuelle Umfrage, aber auch die Ergebnisse der Vergangenen Befragungen. Da wird auf der Karte dargestellt, wie sprachliche Versionen im deutschsprachigen Raum verteilt sind. Ein Beispiel, das mich überrascht hat: Als Kind kannte ich beim Fangenspielen den Ort, an dem man nicht gefangen werden kann, als Freio. Das ist aber anscheinend ein lokal sehr begrenzter Begriff.

I contain multitudes – review

Ich habe das Buch I contain multitudes  von Ed Yong gelesen und weil es ganz gut auf diesen Blog passt, schreibe ich hier ein paar Worte dazu.

Worum es geht:

Im Buch geht es um das Mikrobiom, also die Welt der Mikroorganismen, und wie die mit anderen Teilen der Welt interagieren. Das klingt ziemlich abstrakt, wird aber sehr vielen Beispielen anschaulich erklärt. Das überspannende Thema ist, dass Mikroorganismen keine Randerscheinung dieser Welt sind, auch wenn sie lange so wahrgenommen wurden. Mikroorgansimen sind als Teil des weltweiten Ökosystems mit allen anderen Organismen verflochten und haben einen bedeutenden Einfluss auf uns und auf alles, was uns umgibt.

In zehn Kapiteln geht Yong auf verschiedene Aspekte dieser Beziehungen ein: Beginnend bei der ersten Beschreibung von Bakterien durch Anthony van Leeuwenhoek beschreibt er, wie wir Menschen Mikroorganismen wahrgenommen haben und wie sich diese Wahrnehmung gewandelt hat. So wurden Bakterien zeitweise als unheilbringende Krankheitserreger gesehen, nur um später als Allheilmittel gegen verschiedenste Krankheiten propagiert zu werden. Ed Yong stellt vor allem eines klar: Es ist immer komplizierter, als man denkt, und wir haben es noch sicher nicht verstanden.

Was ich an dem Buch mag:

Mir gefällt, dass die Komplexität nicht zu kurz kommt. Der Autor zeigt sehr klar, dass einfach Narrative nicht für die Beschreibung der Beziehungen zwischen Bakterien und ihrer Umwelt nicht ausreichen. Die vielen Beispiele und ihre Entdeckungsgeschichten zeigen dabei viele Zusammenhänge wirklich anschaulich, was bei diesem Thema nicht so einfach ist. Schließlich kann man Bakterien nicht sehen, wodurch das Thema Mikrobiom schnell abstrakt wird. Einige dieser Beispiele haben mich auch wirklich begeistert, vielleicht schaffe ich es sogar, darüber mal ein paar Blogposts zu schreiben.

Was mir etwas weniger gefällt:

Manchmal ist der Schreibstil mir etwas zu blumig und die Erzählung zu anekdotenhaft. Dadurch fehlt mir in dem Buch etwas die Struktur, was schade ist, wenn man etwas nochmal nachlesen möchte.

Fazit:

Es ist ein lesenswertes Buch und vermittelt gut das Staunen über die Komplexität einer Welt, die für die meisten im Verborgenen liegt. Yong fängt die Faszination, die das Zusammenspiel zwischen Mikroorganismen und Umwelt auf die zitierten Forscher ausübt, sehr gut ein und steckt einen mit der Begeisterung an. Durch mein Studium war mir das Thema nicht vollkommen fremd, aber viele Beispiele waren wirklich faszinierend!

Wie Wissenschaft funktioniert und warum Experimente wichtig sind

Dieser Text wäre vor hundert Jahren undenkbar gewesen, denn damals gab es Computer wie den, auf dem ich schreibe, ganz einfach nicht. Und dieser Text hätte ohne das Internet auch keine Leser. 

Unsere Alltagswelt ist von Technik geprägt, und die Entwicklung moderner Technik wäre ohne die dahinterliegende Wissenschaft undenkbar. Naturwissenschaft geht also alle etwas an. Und obwohl die Wissenschaft so wichtig ist, ist das Prinzip dahinter relativ einfach: Man überlegt sich Erklärungen, warum die Dinge sich so verhalten wie sie es tun, und versucht dann mit Experimenten zu zeigen, dass die eigene Erklärung die richtige ist. 

Dabei gibt es im Grunde vier Schritte:

  1. Ich beobachte etwas. 

Das kann eigentlich wirklich alles sein. 

Zum Beispiel kann mir auffallen, dass mir die Schokocreme auf dem Frühstücksbrot bei meinen Eltern zu Hause nicht so gut schmeckt wie die bei mir. 

  1. Ich leite eine Regel aus meiner Beobachtung ab. Diese Regel ist dann meine Hypothese. 

Zum Beispiel: Die Schokocreme bei meinen Eltern schmeckt mir nicht, weil sie von einer anderen Marke ist, als die, dich ich immer kaufe. Es liegt also daran, dass die eine Marke ein Rezept benutzt, das mir besser schmeckt.

Vorher sollte ich natürlich erst versuchen herauszufinden, ob schonmal jemand das gleiche Phänomen beobachtet und vielleicht sogar erklärt hat. Wenn es schon eine bekannte Erklärung dafür gibt, kann ich mir natürlich trotzdem eine Alternative überlegen, aber für den nächsten Schritt ist es wichtig, die schon bekannten Erklärungen genau zu verstehen. Hier hilft es, viel Hintergrundwissen zum Thema zu haben, denn sonst ist es schwer, auf Ideen zu kommen und zu beurteilen, ob die schon existierenden Erklärungen gut sind oder nicht.

Beim Schokocreme-Beispiel könnte es ja sein, dass schonmal jemand untersucht hat, ob Menschen in der Blindverkostung einen Unterschied zwischen den beiden Marken schmecken. 

  1. Ich überlege mir, wie ich meine Hypothese testen kann. 

Meine Hypothese ist, dass der Unterschied zwischen den Schokocremes die Marke und damit das Rezept ist. Aber es gibt ja auch mögliche andere Erklärungen: Vielleicht essen meine Eltern nie Schokocreme und darum ist die bei ihnen im Schrank einfach schon Jahre alt und schmeckt deshalb nicht mehr. Oder meine Eltern bewahren ihre Schokocreme auf der Fensterbank auf, wo sie vom Sonnenlicht ständig aufgewärmt und bestrahlt wird, und darum ist sie nicht mehr so lecker. Vielleicht liegt es auch gar nicht an der Schokocreme sondern am Brot das meine Eltern immer kaufen. 

Es gibt also sehr viele Faktoren, die hier eine Rolle spielen können. Wenn ich ein Experiment entwerfen möchte, sollte ich versuchen, so viele Faktoren wie möglich im Kopf zu haben, damit ich die beim Experiment “ausschalten” kann und mich nur auf den konzentriere, der für meine Hypothese entscheidend ist.

Um zu testen, ob der Geschmack der Schokocreme von der Marke beeinflusst wird, würde ich testen, ob ich die beiden Schokocremes blind (also ohne zu wissen, welche ich gerade probiere) auseinanderhalten kann. Dazu müsste ich die zwei Schokocremes neu kaufen (dann kann die Lagerung keinen Unterschied machen) und von jemand anderem auf Brote schmieren lassen, sodass ich nicht weiß, welche auf welchem Stück Brot ist (wenn ich das vorher wüsste, kann es sein, dass meine Meinung vorher meinen Geschmack beeinflusst). Ich sollte mehrere Stücke Brot schmieren lassen, denn wenn ich nur zwei habe, habe ich auch schon eine 50% Chance, richtig zu raten, welche Creme es ist. Ich müsste mit verbundenen Augen probieren (denn vielleicht haben die Cremes leicht unterschiedliche Farben, wodurch ich weiß, welche Proben zur gleichen Schokocreme gehören). Dann würde ich die probierten Stücke einer Creme zuordnen. Wenn die eine Creme wirklich besser schmeckt als die andere, dann müsste ich die beschmierten Brotstücke richtig zuordnen können. Wenn es aber an einem der anderen Faktoren liegt, dann würde ich keinen Unterschied schmecken und könnte die Brotstücke auch nicht zuordnen.

  1. Ich teste die Hypothese und verwerfe sie oder behalte sie bei.

Ich führe mein Schokocremeexperiment wie oben beschrieben aus. 

Dann geht es an die Auswertung: Sind meine Schokobrotstücke richtig zugeordnet? Wenn ich das wirklich korrekt machen will, brauche ich hier Statistik. Denn die kann mir helfen zwischen einer zufälligen Anordnung und einer zuverlässig richtigen Anordnung zu unterscheiden. Aber das würde jetzt etwas zu weit führen.

Wenn ich die Stücke so eingeordnet habe, dass es eher einer zufälligen Verteilung ähnelt, dann kann ich die Schokocremes also nicht am Geschmack unterscheiden, und meine Hypothese, dass die eine Marke leckerere Schokocreme macht, ist damit wiederlegt. 

Wenn ich dagegen alle oder die meisten Stücke richtig zugeordnet habe, dann kann ich sagen, dass meine Hypothese erstmal weiter gilt. ABER, das heißt nicht, dass diese Hypothese auf jeden Fall wahr ist. Es könnte zum Beispiel auch sein, dass die Schokocreme der einen Marke im Supermarkt, wo ich sie kaufe, anders gelagert wird und darum besser schmeckt. Bestimmt gibt es auch noch andere Erklärungen, die ich mit meinem Experiment nicht messen konnte. Um das zu testen, müsste ich ein anderes Experiment machen.


Diese grundlegenden Schritte sind natürlich etwas vereinfacht. Aber grundsätzlich werden so wissenschaftliche Hypothesen aufgestellt und getestet. Wichtig ist, dass Hypothesen, die nicht widerlegt werden, dadurch nicht automatisch wahr sind. Erst wenn sie sich in vielen verschiedenen Experimenten halten kann, nennt man sie eine Theorie. Das bedeutet, dass man sie vorerst als wahr annimmt, allerdings kann man eine Theorie immer noch mit Experimenten widerlegen. 

In der Naturwissenschaft beweist man also nie, das eine Theorie oder Hypothese stimmt, sondern man kann sie immer nur widerlegen. Dadurch bleibt immer eine gewisse Unsicherheit, was die wirklichen Erklärungen angeht. Wie unsicher eine Theorie ist, kann dabei sehr unterschiedlich sein. Denn um eine Theorie umzustoßen, die von tausenden wissenschaftlichen Experimenten unterstützt wird, braucht man sehr starke Gegenbeweise. Wenn eine Theorie relativ neu ist, dann ist es wahrscheinlicher, dass man sie noch widerlegt, oder zumindest abändern muss, damit sie mit neueren Experimenten übereinstimmt. 

Indem Theorien immer und immer wieder getestet, verändert und verbessert werden, nähern wir uns in den Naturwissenschaften Stück für Stück der Wahrheit an. 

Dauerwelle vs. Natur: Warum manche Menschen Locken haben und andere nicht.

Was ist der Unterschied zwischen lockigem und glattem Haar?

Wie lockig oder glatt Haar ist hat damit zu tun, wie Haare wachsen: Haare wachsen aus den Haarfollikeln heraus. Das kann man sich etwa wie ein Laufband vorstellen, wo am Anfang die sogenannte Papilla ist, von der aus sich Zellen vermehren und das fertige Haar immer weiter aus dem Follikel herausschieben. Auf dem Weg von der Papilla zum Ausgang des Haarfollikels bildet diese Zellen die Struktur des Haares. Dann verhornen sie, das heißt, dass sie viel Keratin bilden. Keratine sind eine Gruppe von Proteinen, die sehr stabil sind und darum für Harte Strukturen im Körper wichtig sind, zum Beispiel in Fingernägeln oder Haaren, aber auch der oberen Hautschicht. Diese Proteine verschlingen sich eng umeinander und halten sich aneinander fest, was ihnen ihre feste Form gibt. Am Ende der Haarbildung sterben die Zellen im Haar ab, sodass quasi nur noch die Keratinstruktur übrig bleibt.

Bei Menschen mit krausen oder lockigen Haaren sind die Haarfollikel verdreht oder gebogen wodurch die verschiedenen Zelltypen, die für das Haarwachstum wichtig sind, asymmetrisch angeordnet sind. Dadurch werden auch die Zellen, die das Haar selber formen, verschieden angeordnet, was man beim fertigen Haar am Querschnitt sieht: Wenn man ein glattes Haar durchschneidet und von oben darauf schaut, sieht man einen kreisrunden Querschnitt. Bei lockigem Haar ist der Querschnitt abgeflacht, also eher oval.

Wie wird Haarform vererbt?

Dass die Kräuselung/lockenform erblich ist, sieht man zum Beispiel daran, dass Menschen in bestimmten Teilen der Erde eher glatte, in anderen eher krause Haare haben. Was sind diese genetischen Unterschiede?

Solche Unterschiede kann man mit genomweiten Assoziationsstudien finden: In diesem Fall hat man sich das Genom (also alle Gene) von Menschen mit unterschiedlichen Haartypen angeschaut und dabei darauf geachtet, welche genetischen Varianten bei Menschen mit dem gleichen Haartyp eher gleich sind, aber sich zwischen Menschen mit unterschiedlichen Haartypen unterscheiden. Dabei ist zwar kein einzelnes Gen herausgekommen, aber das ist bei so einem komplizierten Prozess wenig überraschend. Man hat eine ganze Reihe von Genen gefunden, wo es kleine Unterschiede gibt. Diese Gene haben gemeinsam, dass sie besonders im Inneren des Haarfollikels aktiv sind, also genau da, wo das Haar sich bildet und seine Form sich entwickelt. Es klingt also ziemlich plausibel, dass diese Gene tatsächlich für die Vererbung von Haartypen verantwortlich sind. Welchen einfluss welche Gene dabei genau haben und wie sie zusammenspielen, wird noch erforscht.

Und was ist mit künstlichen Locken?

Wenn man seine natürliche Haarform nicht mag oder einfach mal Lust auf Veränderung hat, kann man seine Gene natürlich nicht einfach ändern. Es gibt aber Möglichkeiten, die Haarform zu ändern. Dabei ist wieder das Keratin wichtig, was dem Haar seine Stabilität gibt. Um seine Form zu behalten, sind die Keratinproteine untereinander und in sich durch Wasserstoffbrücken und Disulfidbrücken verbunden. Wasserstoffbrücken sind eher schwach und bilden sich zwischen zwischen Molekülen, wenn eher positive geladene Wasserstoffatome in die nähe von eher negativ geladenen Elektronenpaaren kommen, weil positiv und negativ einander anziehen. Disulfidbrücken sind deutlich stärkere Bindungen, und entstehen, wie der Name vermuten lässt, zwischen zwei (Di-) Schwefelatomen (Sulfur). Im Haar sind kommen solche Schwefelatome in form von Cystein vor, das ist eine Aminosäure (Aminosäuren sind die Bausteine, aus denen Proteine zusammengesetzt sind). Keratin hat besonders viele Cysteine und kann darum besonders gut Disulfidbrücken bilden.

Bei künstlichen Locken (oder auch beim Glätten) werden diese Querverbindungen erst gelöst, dann wird das Haar in Form gebracht und die Brücken werden neu gebildet. Dadurch erhärtet das Keratin dann in der gewünschten Form.

Wasserstoffbrücken sind relativ leicht zu brechen, zum Beispiel mit Wasser oder Hitze. Darum kann man glatte Haare nass in Zöpfe flechten und so trocknen lassen, um Wellen ins Haar zu bekommen. Auch Lockenstäbe und Glätteisen funktionieren so, aber nutzen eben Hitze, um die Wasserstoffbrücken zu brechen. Allerdings halten diese Methoden nur bis zur nächsten Haarwäsche (oder dem nächsten Regen). Anders ist es mit der Dauerwelle: Hier werden mit einem Reduktionsmittel die Disulfidbrücken gelöst. Dann wird das Haar in die gewünschte Form gebracht und die Disulfidbrücken werden mithilfe eines Oxidationsmittels (oft ist das Wasserstoffperoxid) wieder neu gebildet. Weil Disulfidbrücken viel stärker sind als Wasserstoffbrücken und sich nicht durch Wasser lösen lassen, hält diese Art der künstlichen Locken- oder auch von künstlicher Glätte- deutlich länger. Wenn man die Haare oft kämmt und wäscht, finden sie aber trotzdem nach einiger Zeit in ihre natürliche Form zurück.

Wege in die Wissenschaft: Wie werde ich Forscher:in

Weil ich mich gerade auf der Zielgeraden zur Promotion befinde, denke ich viel über Karriere nach, deshalb möchte ich dazu auch etwas schreiben. Hier ist der erste Teil dazu: Was muss ich tun, um in der wissenschaftlichen Forschung zu arbeiten? Ich werde vor Allem über die naturwissenschaftliche Forschung schreiben, weil ich mich damit auskenne. Außerdem geht es hier um den klassischen Weg, es gibt bestimmt auch noch andere Möglichkeiten, in der Forschung zu landen.

Die meisten starten ihren Weg in die Wissenschaft mit dem Abitur. Dann kommt direkt ein schwieriger Schritt, nämlich die Wahl des Studienganges. Man fängt normalerweise mit einem Bachelor-Studiengang an – in Fächern wie Pharmazie gibt es aber auch das Staatsexamen. Die Auswahl ist hier riesig, zum einen gibt es die klassischen Naturwissenschaften, zum Beispiel Physik, Chemie und Biologie. Aber es gibt auch neuere Fächer, gerade in den Lebenswissenschaften. Und dann kann man auch mit Fächern wie Medizin und Pharmazie in die wissenschaftliche Forschung gehen. Dabei gibt es auch noch verschiedene Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Was der richtige Studiengang für einen ist, ist schwer herauszufinden, weil man oft erst merkt, was einem liegt, wenn man schon drinsteckt. Im Bachelor-Studium eignet man sich das Grundwissen eines Fachs an und lernt die wichtigsten Forschungsmethoden.

Im Master, der auf das Bachelorstudium folgt, spezialisiert man sich meist weiter und lernt mehr über ein oder mehrere Fachgebiete. Spätestens hier arbeitet man auch in echten Forschungslaboren mit, was einem Einblicke in das Arbeitsumfeld und verschiedene Techniken bietet.

Wenn man den Master oder einen vergleichbaren Abschluss in der Tasche hat, kann man sich nach einer Promotionsstelle umsehen. Denn wer in der Wissenschaft arbeiten will, braucht normalerweise einen Doktortitel. Dazu bewirbt man sich oft auf eine ausgeschriebene Stelle oder fragt bei einer Arbeitsgruppe nach, ob man dort anfangen kann. Wie immer in der Forschung ist jetzt vor allem die Frage wichtig, wo das Geld für die Bezahlung herkommt. Universitäten und Institute stellen Doktorand:innen als Angestellte an. Je nach Fachgebiet sind diese Stellen aber oft unterbezahlt: Es ist normal, dass man nur in Teilzeit eingestellt wird, aber von einem trotzdem erwartet wird, dass man Vollzeit arbeitet. Außerdem sind diese Arbeitsverträge immer befristet. Wenn man Glück hat, dann bekommt man einen Vertrag für drei Jahre, was für eine Doktorarbeit schon sehr ambitioniert ist. Oft ist es kein Problem, ein- oder zweimal den Vertrag zu verlängern. An einigen Universitäten sind aber auch Verträge für wenige Monate der Standard. Das kann sehr stressig sein, weil man immer wieder die Chef:in überreden muss, den Vertrag zu verlängern.

Eine andere Möglichkeit ist ein Stipendium oder Drittmittelprojekt. Gerade bei Stipendien ist da ein mögliches Problem, dass man nicht sozialversichert beschäftigt ist, was zur Folge hat, dass man nachher keinen Anspruch auf Sozialleistungen (zum Beispiel Arbeitslosengeld) hat.

Während der Promotion arbeitet man dann in einer Arbeitsgruppe an einem eigenen Forschungsprojekt, über das man später dann auch die Doktorarbeit schreibt. Meistens hat man aber auch noch andere Aufgaben und hilft zum Beispiel bei Praktika, Tutorien und Seminaren für Studierende aus. Und man betreut auch selber Bachelor- und Masterarbeiten. Man arbeitet viel selber im Labor aber publiziert auch schon die anfallenden Ergebnisse, fährt zu Konferenzen und arbeitet mit anderen Wissenschaftler:innen an größeren Projekten zusammen. Denn viel Forschung wird heute nicht mehr alleine in der stillen Kammer gemacht, sondern benötigt Geräte und Expertise von verschiedenen Arbeitsgruppen und Menschen, um erfolgreich zu sein.

Nach drei bis fünf Jahren sollten dabei genug Ergebnisse zustande kommen, damit man seine Doktorarbeit darüber schreiben kann. Darin fasst man zusammen, was man gemacht hat und welche wissenschaftlichen Fragen man damit beantwortet hat. Diese Arbeit wird dann bewertet und man bekommt, wenn alles gut läuft, einen Doktortitel.

Wenn man weiter in der Forschung arbeiten will, ist der übliche Weg ein Postdoc. Das ist eine Phase von einigen Jahren, in der man ein Forschungsprojekt bearbeitet. Diese Phase kann man nutzen, um das Labor zu wechseln und neue Techniken und Menschen kennenzulernen. Es macht sich auch gut im Lebenslauf, spätestens hier einmal ins Ausland zu gehen. Wie bei der Promotion gibt es auch hier Stellen, die ausgeschrieben sind und an denen man normal angestellt wird. Aber man kann hierfür auch Förderung von Stiftungen oder ähnlichen Institutionen anfordern und sich um Stipendien bewerben.

Nach einem oder mehreren Postdocs ist dann der Zeitpunkt gekommen, an dem man auf eine feste Stelle an einem Institut hofft. Das kann man entweder als akademische Rät:in tun, dann arbeitet man weiter in einer Forschungsgruppe mit. Oder man baut sich ein eigenes Labor als Arbeitsgruppenleiter:in oder Juniorprofessor:in auf. Das heißt, man beaufsichtigt andere Mitarbeiter:innen und Studierende bei der Forschung und bestimmt, für welche Forschung das Geld ausgegeben hat, das man zur Verfügung hat. An diesem Punkt in der Karriere arbeitet man oft nicht mehr direkt im Labor, sondern betreut die Mitarbeiter:innen oder schreibt Publikationen und Anträge, um Fördergelder für die Forschung zu bekommen. Außerdem wird auch die Lehre immer wichtiger: Man muss Vorlesungen, Praktika und Tutorien planen, vorbereiten, halten und sich um Klausuren kümmern.

Durch eine Habilitation (das ist eine weitere wissenschaftliche “Abschlussarbeit”) kann man sich dann für eine klassische Professur qualifizieren. Wenn man die errungen hat, hat man es in der Wissenschaft “geschafft”, normalerweise sind solche Stellen nämlich unbefristet und man wird verbeamtet.

Als Professor:in hat man erstmal die gleichen Aufgaben, wie eine Arbeitsgruppenleiter:in, aber oft muss man mehr Zeit für Lehre aufwenden. Ansonsten ändern sich die Aufgaben nur, wenn man zum Beispiel als Dekan:in in der Hochschulverwaltung weiter aufsteigt.

Alternativ zu dieser klassischen Laufbahn gibt es aber auch andere Wege: Wer lieber praktisch im Labor arbeitet und keine Angst vor Routinearbeit hat, kann als Laborant:in oder technische Assistenz arbeiten. Da übernimmt man oft Routineaufgaben und Labormanagement, kann aber je nach Arbeitsgruppe auch Experimente durchführen.

Außerdem braucht man im Wissenschaftsmanagement Leute, die gerne organisieren und koordinieren und mit diesen Tätigkeiten die Wissenschaft am Laufen halten.

Das ist grob zusammengefasst, was einen in der Naturwissenschaftlichen, akademischen Karriere erwartet. In den nächsten Wochen werde ich mich mit den schönen und weniger schönen Seiten der Akademie beschäftigen, denn diese Form der Karriere hat sehr schöne, aber auch schwierige Seiten.

Ein Wirkstoff – drei Funktionen

Diesmal schreibe ich mal etwas über meine eigene Arbeit: dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung dieses Artikels, der letztes Jahr veröffentlicht wurde. Ich habe daran mitgeschrieben und dachte, es wird Zeit, dass davon auch was auf meinem Blog steht. Wer sich in der Forschungslandschaft nicht so auskennt wird sich vielleicht wundern, in was für kleinen Schritten die Forschung fortschreitet: In diesem Artikel, für den ich selber nur einen kleinen Teil der Arbeit gemacht habe, geht es um feine Details und nicht um eine riesige neue Erkenntnis. Aber so funktioniert Forschung eben sehr oft: viele kleine Schritte und Entdeckungen führen auf Dauer zu neuem Wissen.

Ich forsche an einer Interaktion zwischen zwei Proteinen , CK2α und CK2ꞵ. Diese Interaktion ist interessant, weil sie die Aktivität von CK2α beeinflusst und diese Aktivität unter anderem in allem möglichen Krebsarten eine Rolle spielt. Darum gibt es auch schon länger die Überlegung, dass man einen Stoff, der diese Bindung inhibiert, als Krebsmedikament einsetzen könnte.

Generell ist es bei der Medikamentenentwicklung so, dass man dabei möglichst spezifisch sein will: Man will genau den Prozess im Körper beeinflussen, der gerade das Problem oder die Krankheit auslöst, und sonst möglichst alles in Ruhe lassen. Wenn Medikamente neben dem gewünschten Ziel noch andere Prozesse beeinflussen ist das oft der Grund von Nebenwirkungen.

Wenn man CK2 hemmen will, ist genau das ein Problem: CK2 ist eine Kinase, das ist ein Enzym, das eine Phosphatgruppe auf andere Proteine überträgt. Es gibt viele solcher Kinasen und sie steuern im Körper eine riesige Zahl von Prozessen, denn das Markieren mit einer Phosphatgruppe kann andere Enzyme an- oder ausschalten oder ihre Aktivität abändern. Das Phosphat aus der Phosphatgruppe nehmen die Kinasen von einem ATP-Molekül. Zwar unterscheiden sich die verschiedenen Kinasen darin, welchen Proteinen sie unter welchen Umständen eine Phosphatgruppe aufsetzen, aber grundsätzlich sind sie sich in ihrer Struktur sehr ähnlich und darum ist es schwierig, einen Hemmstoff zu finden, der gezielt eine Kinase hemmt und nicht gleich mehrere. Wenn man zu viele Kinasen gleichzeitig ausschaltet, könnte das zu schweren Nebenwirkungen führen, weil man damit so viele verschiedene Prozesse stört.

Eine Möglichkeit dafür, möglichst spezifische Hemmstoffe zu finden, ist, sie so herzustellen, dass sie an zwei Stellen an der CK2 andocken. Dadurch ist es unwahrscheinlicher, dass es noch ein anderes Protein gibt, wo beide Bindungsstellen ähnlich sind. Genau um so einen Stoff ging es auch in der letzten Publikation, an der ich beteiligt war: ARC-1502. Diese Molekül war schon vorher bekannt und hat zwei Teile: Einer bindet CK2 an der Stelle, wo normalerweise das ATP sitzt. Der andere Teil blockiert den Bereich, wo CK2 mit dem Protein dockt, das die Phosphatgruppe erhalten soll. Wenn diese beiden Stellen blockiert sind, kann CK2 nicht mehr wie gewohnt funktionieren.

In dem Artikel, an dem ich mitgearbeitet habe, haben wir ARC-3140, eine Weiterentwicklung von ARC-1502 untersucht und festgestellt, dass die beiden nicht nur an zwei, sondern an drei Stellen an CK2α binden und CK2 auf verschiedene Weisen hemmen.

Das war eine Überraschung, eigentlich sollte ARC-3140 CK2 einfach nur besser hemmen, weil darin einige Brom- durch Iodatome ausgetauscht waren, was bei anderen CK2-Inhibitoren zu stärkeren Hemmung geführt hat. Außerdem wollten wir mit einer Röntgenkristallstruktur sehen, wo genau die beiden Moleküle an CK2 binden. Eine Röntgenkristallstruktur ist eine 3D Struktur, die man dadurch bekommt, dass man ein Protein erst kristallisiert, in diesem Fall zusammen mit dem entsprechenden Inhibitor. Dann bestrahlt man es mit Röntgenstrahlen. Der Kristall sorgt dafür, dass diese Röntgenstrahlen gebeugt werden und eine Art Muster bilden. Aus diesem Muster kann man dann zurückrechnen, wie das Protein ausgesehen hat, dass es erzeugt hat. Das coole daran ist, dass man in solchen Strukturen wenn es gut läuft wirklich jedes Atom “sehen” kann und dann genau weiß, wie der Hemmstoff mit dem Protein interagiert.

In unserem Fall ist dabei herausgekommen, dass ARC-3140 eben nicht nur an den zwei erwarteten Stellen bindet, so wie ARC-1502 auch, sondern dazu noch eine andere Stelle an CK2α belegt, da wo normalerweise die das Protein CK2ꞵ andockt.

Wir haben dann noch weitere Experimente gemacht, um zu sehen, ob ARC-3140 diese Bindung auch in Experimenten stören kann. Und wirklich, beide Stoffe können auch diese Bindung hemmen, was noch zusätzlich die CK2 Aktivität reduziert.

Diese zwei Moleküle sind also nicht nur sehr starke Hemmstoffe der CK2, sie hemmen sie auch auf verschiedenen Wegen gleichzeitig. Das macht sie vermutlich zu sehr spezifischen Inhibitoren, weil es unwahrscheinlich ist, dass sie noch an ein anderes Protein passen. Solche sehr spezifischen Hemmstoffe könnten in Zukunft als besonders milde Medikamente genutzt werden, weil sie weniger Nebenwirkungen haben.

Ob ARC-3140 allerdings tatsächlich jemals als Medikament eingesetzt werden kann ist noch völlig offen, schließlich muss ein richtiges Medikament nicht nur spezifisch sein, sondern zum Beispiel auch noch in Zellen eindringen können, wo sich CK2 vor allem befindet. Dazu gehören also noch eine ganze Menge Experimente und weitere Studien.

Wie die Phasen der Medikamentenzulassung ablaufen, habe ich hier beschrieben.

Vom Reagenzglas in die Apotheke: Wie Sicherheit und Wirkung von Medikamenten getestet wird

Der erste Coronaimpfstoff wurde pünktlich zu Weihnachten zugelassen, obwohl die Corona-Pandemie gerade mal ein Jahr lang läuft. Das ist eine enorme Leistung der Wissenschaft und auch der Unternehmen, die die Impfstoffe entwickelt haben und immer noch entwickeln. Schließlich dauert es oft Jahrzehnte, bis Medikamente oder Impfstoffe gegen neue Erreger gefunden werden.

Das liegt unter anderem auch an den strengen Regeln für die Markteinführung von neuen Medikamenten und Impfstoffen. Hersteller müssen zeigen, dass ihre Produkte sicher sind, dass sie wirksam sind und das die Qualität stimmt. Die Studien, mit denen das gezeigt wird, verlaufen in mehreren Phasen:

2021-01-09 Medikamente

Präklinik

Bevor man ein neues Medikament an Menschen ausprobieren darf, muss man erstmal in biochemischen Versuchen und an Tieren zeigen, dass der Wirkstoff, den man testet, da auch einen Effekt zeigt.

Bei einem antiviralen Wirkstoff, also einem Stoff, der die Infektion mit einem Virus aufhält, könnte man zum Beispiel zeigen, dass der Stoff an das Virus bindet. Außerdem kann man in Zellkulturen zeigen, dass der Stoff die Infektion von einzelnen Zellen verhindert. In einem Tier, bei dem das Virus sich ähnlich verhält wie im Menschen, könnte man dann zeigen, dass der Stoff auch da eine Krankheit verhindert. Das alles wären dann gute Hinweise, dass der Wirkstoff so funktioniert, wie man möchte.

Außerdem muss man an Tieren auch zeigen, dass das Medikament nicht zu giftig ist, dass es keine schweren Gesundheitsschäden verursacht und dass es auch keine Missbildungen bei den Nachkommen bewirkt.

Diese erste Phase kann sehr lange dauern, weil eine ganze Reihe von Experimenten gemacht werden muss. Danach fangen die klinischen (also an Menschen durchgeführten) Studien an.

Phase I

Hier testet man an einer kleinen Gruppe gesunder Menschen, ob das neue Medikament verträglich ist, also ob und ab welcher Menge Nebenwirkungen auftreten. Außerdem will man sehen, wie sich das Medikament im Körper verhält, also wie gut es aufgenommen wird, wie es ausgeschieden wird und wie lange das dauert.

Phase II

In dieser Phase wird das Medikament zum ersten Mal an Patienten eingesetzt, um zu sehen, ob es auch wirklich die Wirkung hat, die man erwartet.

Hier wird auch ausprobiert, wie man das Medikament am besten gibt, also wie viel und wie oft. Es ist aber immer noch eine kleine Gruppe von Patienten, die nach strengen Kriterien ausgesucht werden, um möglichst viele äußere Einflüsse auszuschließen.

Phase III

Das ist die Phase, in der die Wirkung des Medikaments bewiesen wird: Es wird an einer großen Gruppe (oft tausende Patienten) getestet. Spätestens in dieser Phase gibt es auch eine Kontrollgruppe, die anstatt des Medikaments ein Placebo erhält. Damit zeigt man, dass das neue Medikament nicht nur einen Placebo Effekt hat, sondern darüber hinaus eine Verbesserung bringt.

Wenn sich in dieser Phase zeigt, dass das Medikament wirkt und keine schweren Nebeneffekte hat, dann kann es zugelassen werden. Oft vergehen von der Entwicklung des Wirkstoffes bis zur Zulassung Jahre.

Phase IV

Nach der Zulassung ist es noch nicht vorbei mit der Forschung: Die Wirkung des Medikaments “im echten Leben” wird untersucht. Für die ersten Phasen werden oft Patienten ausgewählt, die keine andere Medikamente nehmen und auch sonst nicht zu viele zusätzliche Gesundheitsprobleme haben, weil das die Auswertung einfacher macht. In Phase IV wird der Wirkstoff im praktischen Einsatz getestet. Außerdem gibt es manchmal Nebenwirkungen, die so selten sind, dass sie in den ersten Phasen nicht vorkommen. Auch die werden in Phase IV beobachtet.

Wie konnten so schnell Corona-Impfstoffe gefunden werden?

Dass es bei den neu zugelassenen Impfstoffen so viel schneller ging als sonst liegt nicht daran, dass Phasen der Testung übersprungen wurden. Allerdings wurden viele Experimente gleichzeitig und nicht nacheinander gemacht. Normalerweise vermeidet man das: Man will nicht schon für viel Geld Tierstudien macht, nur um dann festzustellen, dass das Medikament schon im Reagenzglas ungünstige Eigenschaften an den Tag legt. Beim Coronavirus war aber das Interessen, einen Impfstoff schnell zu entwickeln so groß, dass man diese Risiken eingegangen ist, um Zeit zu sparen. Der Impfstoff hat also auch alle Phasen durchlaufen und man kann sich guten Gewissens impfen lassen.

Ich werde mich jedenfalls sofort impfen lassen, wenn ich dran bin!

Quellen:

https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/wiss-publikationen-volltext/bundesgesundheitsblatt/2009/2009-genehmigungsverfahren-klinische-pruefungen-arzneimittel.pdf?__blob=publicationFile&v=2

https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/ich-e-8-general-considerations-clinical-trials-step-5_en.pdf

https://www.pei.de/DE/service/faq/faq-coronavirus-inhalt.html;jsessionid=F8F52245B379692E7EBCB416725B55DF.intranet221?nn=169730

Was sind Enzyme?

In meinem Blog schreibe ich oft über Enzyme und habe sie dann als Proteine, die chemische Reaktionen ermöglichen, beschrieben. Hier möchte ich einmal etwas besser erklären, was Enzyme sind und warum sie so wichtig sind.Enzyme

Ein Enzym ist ein biologisches Makromolekül, das eine chemische Reaktion beschleunigt.

Was heißt das genau? Ich gehe den Satz der Reihe nach durch.

Biologisch bedeutet, dass die Moleküle, um die es geht, in der Natur in Lebewesen gebildet werden. Es gibt viele verschiedene Biologische Moleküle, dazu gehören Zucker, Proteine, Nukleinsäuren (DNA und RNA) und Lipide.

Makromolekül – heißt eigentlich einfach großes/sehr großes Molekül. Lebewesen stellen davon eine ganze Reihe her, aber Enzyme sind entweder Proteine oder bestehen aus RNA. Die allermeisten Enzyme sind Proteine, darum konzentriere ich mich hier auch auf Proteine.

Chemische Reaktionen finden in allen Lebewesen ständig statt, Leben basiert vollkommen auf Chemie. Dabei ist es zum Überleben wichtig, dass die richtigen Stoffe zur richtigen Zeit gebildet und wieder abgebaut werden. Darum müssen die Reaktionen, die im Körper ablaufen, so gelenkt werden, dass nichts aus dem Ruder läuft.

Aber langsam: Was sind chemische Reaktionen?

Bei einer chemischen Reaktion wird ein Stoff, also eine Art Molekül, in einen anderen Stoff umgewandelt. Ein Beispiel ist die Reaktion von Ethanol (also umgangssprachlich Alkohol) zu Acetaldehyd Die schreibt man als Formel so:

2 CH3CH2OH + O2 → 2 CH3CHO + 2 H2O

Die Buchstaben stehen für die Atome verschiedener Elemente, Cs stehen für Kohlenstoffatome, die Hs für Wasserstoffatome und die Os für Sauerstoffatome. Atome sind (meistens) ziemlich stabil und sind damit die Grundbausteine für alle Stoffe. Die Atome sind in verschiedenen Molekülen gruppiert. das sind die kleinsten Einheiten eines chemischen Stoffes, so besteht Wasser zum Beispiel aus Molekülen H2O. Während einer chemischen Reaktion gruppieren sich die Atome neu, und bilden andere Moleküle.

So eine Reaktion kann erstmal in zwei Richtungen ablaufen, die Atome können auch wieder in ihre alte Gruppierung zurückfinden. Auf Dauer entsteht so ein Gleichgewicht, in dem ein bestimmter Anteil der Atome in der einen, und ein Teil der Atome in der anderen Gruppierung ist. In einem chemischen Gleichgewicht gibt es immer noch einzelne Moleküle, die in die eine oder andere Richtung reagieren, aber durchschnittlich ändert sich das Verhältnis zwischen der einen und anderen Seite des Gleichgewichts nicht mehr.

Das heißt aber nicht, dass sich die Moleküle halb-halb auf die beiden Seiten verteilen, sondern das Gleichgewicht kann zu einer oder der anderen Seite einer chemischen Gleichung neigen, was von den Eigenschaften der jeweiligen Moleküle abhängt. Hier kommen die Gesetze der Thermodynamik ins Spiel, aber darauf möchte ich hier nicht weiter eingehen.

Dazu kommt außerdem noch, dass die Moleküle auf beiden Seiten im echten Leben auch noch andere chemische Reaktionen mitmachen können, die dann auch in einem Gleichgewicht stehen, und diese Gleichgewichte beeinflussen sich dann wieder gegenseitig, sodass man am Ende ein ziemlich komplexes System haben kann (zum Beispiel einen menschlichen Körper).

Dann bleibt noch das Beschleunigen: Ein anderer Faktor so eines Gleichgewichts ist die Zeit. Es braucht nämlich einige Zeit, bis sich so ein Gleichgewicht einstellt. Wie lange das dauert kann je nach Reaktion sehr unterschiedlich sein. Grundsätzlich hängt es damit zusammen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Molekül reagiert. Normalerweise gibt es während einer chemischen Reaktion Zwischenzustände zwischen dem einen und dem anderen Molekül, die meist nur sehr kurz bestehen. Die Reaktion verläuft schneller, wenn sie so ein Übergangszustand leichter bildet und wenn sich der Zwischenzustand nicht leicht bildet, läuft die Reaktion auch nicht schnell ab und es dauert lange, bis sich ein chemisches Gleichgewicht einstellt.

Und genau da setzen Enzyme an: Sie sorgen dafür, dass so ein Gleichgewicht sich schnell findet, sogar bei Reaktionen, die normalerweise extrem unwahrscheinlich sind und darum langsam abläuft. Oft tun Enzyme das, indem sie den Zwischenzustand stabilisieren, ihn damit wahrscheinlicher machen und dadurch die Reaktion beschleunigen.

Durch das An- und Abschalten der richtigen Enzyme zur richtigen Zeit kann ein Lebewesen damit ziemlich genau steuern, welche chemische Reaktionen gerade ablaufen. Diese Schaltung passiert oft auch durch Enzyme, die andere Enzyme chemisch so verändern, dass sie aktiv oder inaktiv werden.

Aber zur genauen Steuerung der chemischen Reaktionen durch Enzyme fehlt noch ein sehr wichtiger Mechanismus: Enzyme koppeln nämlich oft verschiedene Reaktionen aneinander und schaffen es so, die gewünschte Reaktion nicht nur zu beschleunigen, sondern sie sogar gegen ihre normale Reaktionsrichtung ablaufen zu lassen. Das funktioniert, indem das Enzym so gebaut ist, dass es zwei Reaktionen gleichzeitig beschleunigt. Eine Reaktion, die ihrem chemischen Gleichgewicht folgen möchte, treibt dann die andere Reaktion mit an, so dass sie auch abläuft, wenn sie das in Isolation nicht tun würde, weil sie ihr chemisches Gleichgewicht schon erreicht hat. Das kann man sich ein bisschen so vorstellen, wie ein Gewicht an einer Schnur, das über eine Rolle ein leichteres Gewicht hochzieht, obwohl das leichtere Gewicht von der Schwerkraft nach unten gezogen wird und sich von alleine nicht bewegt hätte. Aber durch das Seil sind beide Gewichte gekoppelt, und das schwerere Gewicht bewegt das leichtere mit.

Enzyme steuern also chemische Reaktionen, indem sie sie beschleunigen und koppeln.

So entsteht ein unglaublich kompliziertes Netzwerk aus Reaktionen, die alle möglichen Aufgaben haben, von der Herstellung von körpereigenen Stoffen bis hin zur Kommunikation zwischen verschiedenen Teilen einer Zelle.

Die Komplexität dieses Netzwerks übersteigt vermutlich die menschliche Vorstellungskraft, zumindest meine. Aber wenn man sich ein Bild über einen kleinen Ausschnitt des biochemischen Reaktionsgeschehens in einer klassischen Zelle machen will, kann man sich die Poster von Roche anschauen. Da bekommt man zumindest einen Eindruck :)

Quellen:

Werner Müller-Esterl – Biochemie

Protein des Monats: Spike Glucoprotein oder warum Corona Corona heißt

Diesen Monat geht es um ein Protein, dass in letzter Zeit sehr viel Aufmerksamkeit bekommt: das S-Protein des Coronavirus SARS-CoV-2. Diesem Protein verdanken die Coronaviren ihren Namen: Es sitzt außen in der Virushülle, ein bisschen wie ein Stachel (das S steht für Spike). Auf den ersten Elektronenmikroskopischen Aufnahmen sieht es darum aus, als wären die Viren von einem Kranz (lateinisch Corona) umgeben. Aber außer für die Namensgebung ist diese Protein auch für die Infektion mit Coronaviren essentiell.

Das SARS-CoV-2 S-Protein ist ein längliches Protein, das Trimere formt, sich also in Dreiergruppen zusammentut. So ein Trimer entspricht dann diesen Stacheln, die man durch das Elektronenmikroskop sieht. Dabei ragt das eine Ende in die Umgebung heraus und ist dafür verantwortlich, mögliche Wirtszellen zu erkennen und zu binden. Das andere Ende ist mit der Virushülle verbunden. Dieser Teil des Proteins sorgt dafür, dass sich das Virus in die Zelle eindringen.2020-04-30 SARS-CoV-2 S-Protein

Viren sind seltsame Teilchen, und es gibt endlose Debatten darüber ob sie als Leben eingestuft werden können oder nicht. Das liegt unter anderem daran, dass sie nicht, so wie alle anderen Lebewesen, aus Zellen bestehen. Sie sind nur kleine Partikel, die aus einer Membran, einigen Proteinen und ihrem Erbgut bestehen. Darum können sie sich auch nicht selbstständig vermehren, sondern sind dafür auf eine Wirtszelle angewiesen.

Der erste Schritt für ihre Vermehrung ist, dass sie in so eine Zelle eindringen müssen. Denn nur in der Zelle befinden sich die Enzyme, die das Virus für seine Fortpflanzung nutzt. Um also in eine Zelle zu gelangen, muss ein Virus normalerweise irgendwie an die Zelle binden und dann dafür sorgen, dass es aufgenommen wird. Und genau dafür nutzt SARS-CoV-2 seine Spikes. Mit denen kann es nämlich an den Rezeptor ACE2 (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2) binden. Das Enzym sitzt in der Zellmembran einiger menschlicher Zellen und ist dazu da, den Blutdruck zu senken, in dem dafür sorgt, das die Blutgefäße geweitet werden (Das tut es, wie der Name vermuten lässt, in dem es Angiotensin konvertiert, genauer gesagt Angiotensin II in Angiotensin 1-7). Das erklärt übrigens auch, warum das Virus besonders die Lunge befällt: Sie ist eines der Organe, wo ACE2 viel vorkommt.

Im nächsten Schritt muss das Virus die Zelle dann dazu bekommen es aufzunehmen, und dafür ist der andere Teil des S-Proteins wichtig: Zuerst wird das S-Protein von einem anderen Membranprotein der Zelle, TMPRSS2, gespalten. Dann erst kann das gespaltene S protein dafür sorgen, dass die Zellmembran mit der Virushülle verschmilzt (beides sind Membranen, die aus Lipiden, also Fetten bestehen). Diesen Schritt kann man zur Bekämpfung des Virus nutzen: Wenn man das Enzym TMPRSS2 hemmen kann, verhindert man damit, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 die Zellen infizieren kann. Es wurde schon gezeigt, dass man eine SARS-CoV-2 Infektion so verhindern kann, allerdings erstmal nur in Zellen in Kultur.

Weil das S-Protein auf der Außenhülle des Virus sitzt, ist es für das Immunsystem vermutlich auch ein wichtiges Merkmal, an dem es dieses Virus erkennt. So hat man zum Beispiel bei Menschen nach einer SARS-CoV-2 Erkrankung schon Antikörper (Proteine des Immunsystems, die körperfremde Moleküle erkennen und binden können) gegen das S-Protein gefunden.

Quellen:

https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(20)30229-4?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS0092867420302294%3Fshowall%3Dtrue

https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2001017

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140673620302518?via%3Dihub

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0092867420302622

https://www.nature.com/articles/cr200815

http://europepmc.org/article/MED/32132184#figures-and-tables

Die schönen Seiten der Wissenschaft

Heute teile ich einfach drei Seiten, auf denen Wissenschaft auf schöne Art dargestellt wird.

Journey to the microcosm

In den Videos dieses Youtube-Kanals sieht man durch ein Mikroskop gefilmte Aufnahmen von allerlei Mikroorganismen während Hank Green in ruhiger Stimme erklärt, was zu sehen ist.

Die Aufnahmen sind oft wunderschön und zeigen, dass Mikrobiologie auch in Pandemie-Zeiten nicht beängstigend sein muss.

Einge gute Nachricht

In diesem Video wird visualisiert, wie die Kindersterblichkeit seit 1900 auf der ganzen Welt abgenommen hat, sowohl in ärmeren als auch in reicheren Ländern.

Das gestrickte Gehirn

Die Psychiaterin Dr Karen Norberg kombinierte ihr Fachwissen mit ihrem Hobby und strickte ein anatomisch korrektes Gehirn. Das sieht einfach schön aus und man kann noch etwas dabei lernen.