In meinem Blog schreibe ich oft über Enzyme und habe sie dann als Proteine, die chemische Reaktionen ermöglichen, beschrieben. Hier möchte ich einmal etwas besser erklären, was Enzyme sind und warum sie so wichtig sind.
Ein Enzym ist ein biologisches Makromolekül, das eine chemische Reaktion beschleunigt.
Was heißt das genau? Ich gehe den Satz der Reihe nach durch.
Biologisch bedeutet, dass die Moleküle, um die es geht, in der Natur in Lebewesen gebildet werden. Es gibt viele verschiedene Biologische Moleküle, dazu gehören Zucker, Proteine, Nukleinsäuren (DNA und RNA) und Lipide.
Makromolekül – heißt eigentlich einfach großes/sehr großes Molekül. Lebewesen stellen davon eine ganze Reihe her, aber Enzyme sind entweder Proteine oder bestehen aus RNA. Die allermeisten Enzyme sind Proteine, darum konzentriere ich mich hier auch auf Proteine.
Chemische Reaktionen finden in allen Lebewesen ständig statt, Leben basiert vollkommen auf Chemie. Dabei ist es zum Überleben wichtig, dass die richtigen Stoffe zur richtigen Zeit gebildet und wieder abgebaut werden. Darum müssen die Reaktionen, die im Körper ablaufen, so gelenkt werden, dass nichts aus dem Ruder läuft.
Aber langsam: Was sind chemische Reaktionen?
Bei einer chemischen Reaktion wird ein Stoff, also eine Art Molekül, in einen anderen Stoff umgewandelt. Ein Beispiel ist die Reaktion von Ethanol (also umgangssprachlich Alkohol) zu Acetaldehyd Die schreibt man als Formel so:
2 CH3CH2OH + O2 → 2 CH3CHO + 2 H2O
Die Buchstaben stehen für die Atome verschiedener Elemente, Cs stehen für Kohlenstoffatome, die Hs für Wasserstoffatome und die Os für Sauerstoffatome. Atome sind (meistens) ziemlich stabil und sind damit die Grundbausteine für alle Stoffe. Die Atome sind in verschiedenen Molekülen gruppiert. das sind die kleinsten Einheiten eines chemischen Stoffes, so besteht Wasser zum Beispiel aus Molekülen H2O. Während einer chemischen Reaktion gruppieren sich die Atome neu, und bilden andere Moleküle.
So eine Reaktion kann erstmal in zwei Richtungen ablaufen, die Atome können auch wieder in ihre alte Gruppierung zurückfinden. Auf Dauer entsteht so ein Gleichgewicht, in dem ein bestimmter Anteil der Atome in der einen, und ein Teil der Atome in der anderen Gruppierung ist. In einem chemischen Gleichgewicht gibt es immer noch einzelne Moleküle, die in die eine oder andere Richtung reagieren, aber durchschnittlich ändert sich das Verhältnis zwischen der einen und anderen Seite des Gleichgewichts nicht mehr.
Das heißt aber nicht, dass sich die Moleküle halb-halb auf die beiden Seiten verteilen, sondern das Gleichgewicht kann zu einer oder der anderen Seite einer chemischen Gleichung neigen, was von den Eigenschaften der jeweiligen Moleküle abhängt. Hier kommen die Gesetze der Thermodynamik ins Spiel, aber darauf möchte ich hier nicht weiter eingehen.
Dazu kommt außerdem noch, dass die Moleküle auf beiden Seiten im echten Leben auch noch andere chemische Reaktionen mitmachen können, die dann auch in einem Gleichgewicht stehen, und diese Gleichgewichte beeinflussen sich dann wieder gegenseitig, sodass man am Ende ein ziemlich komplexes System haben kann (zum Beispiel einen menschlichen Körper).
Dann bleibt noch das Beschleunigen: Ein anderer Faktor so eines Gleichgewichts ist die Zeit. Es braucht nämlich einige Zeit, bis sich so ein Gleichgewicht einstellt. Wie lange das dauert kann je nach Reaktion sehr unterschiedlich sein. Grundsätzlich hängt es damit zusammen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Molekül reagiert. Normalerweise gibt es während einer chemischen Reaktion Zwischenzustände zwischen dem einen und dem anderen Molekül, die meist nur sehr kurz bestehen. Die Reaktion verläuft schneller, wenn sie so ein Übergangszustand leichter bildet und wenn sich der Zwischenzustand nicht leicht bildet, läuft die Reaktion auch nicht schnell ab und es dauert lange, bis sich ein chemisches Gleichgewicht einstellt.
Und genau da setzen Enzyme an: Sie sorgen dafür, dass so ein Gleichgewicht sich schnell findet, sogar bei Reaktionen, die normalerweise extrem unwahrscheinlich sind und darum langsam abläuft. Oft tun Enzyme das, indem sie den Zwischenzustand stabilisieren, ihn damit wahrscheinlicher machen und dadurch die Reaktion beschleunigen.
Durch das An- und Abschalten der richtigen Enzyme zur richtigen Zeit kann ein Lebewesen damit ziemlich genau steuern, welche chemische Reaktionen gerade ablaufen. Diese Schaltung passiert oft auch durch Enzyme, die andere Enzyme chemisch so verändern, dass sie aktiv oder inaktiv werden.
Aber zur genauen Steuerung der chemischen Reaktionen durch Enzyme fehlt noch ein sehr wichtiger Mechanismus: Enzyme koppeln nämlich oft verschiedene Reaktionen aneinander und schaffen es so, die gewünschte Reaktion nicht nur zu beschleunigen, sondern sie sogar gegen ihre normale Reaktionsrichtung ablaufen zu lassen. Das funktioniert, indem das Enzym so gebaut ist, dass es zwei Reaktionen gleichzeitig beschleunigt. Eine Reaktion, die ihrem chemischen Gleichgewicht folgen möchte, treibt dann die andere Reaktion mit an, so dass sie auch abläuft, wenn sie das in Isolation nicht tun würde, weil sie ihr chemisches Gleichgewicht schon erreicht hat. Das kann man sich ein bisschen so vorstellen, wie ein Gewicht an einer Schnur, das über eine Rolle ein leichteres Gewicht hochzieht, obwohl das leichtere Gewicht von der Schwerkraft nach unten gezogen wird und sich von alleine nicht bewegt hätte. Aber durch das Seil sind beide Gewichte gekoppelt, und das schwerere Gewicht bewegt das leichtere mit.
Enzyme steuern also chemische Reaktionen, indem sie sie beschleunigen und koppeln.
So entsteht ein unglaublich kompliziertes Netzwerk aus Reaktionen, die alle möglichen Aufgaben haben, von der Herstellung von körpereigenen Stoffen bis hin zur Kommunikation zwischen verschiedenen Teilen einer Zelle.
Die Komplexität dieses Netzwerks übersteigt vermutlich die menschliche Vorstellungskraft, zumindest meine. Aber wenn man sich ein Bild über einen kleinen Ausschnitt des biochemischen Reaktionsgeschehens in einer klassischen Zelle machen will, kann man sich die Poster von Roche anschauen. Da bekommt man zumindest einen Eindruck :)
Quellen:
Werner Müller-Esterl – Biochemie